Zitat von: MrChicken ....
Interessantes Thema, ich bin da jetzt weiß Gott kein Experte drin, aber das was du als Nachteile beschreibst sind doch tatsächlich nur finanzielle. Ich will das jetzt nicht herunterspielen, aber verglichen mit der Gesundheit finde ich das eher zweitrangig.
Ich habe jetzt nur den finanziellen Nachteil bei den Beiträgen genommen weil das für die meisten zunächst im Vordergrund stehen wird. Es gibt aber viele weitere Nachteile.
Finanziell gesehen hat die PKV Nachteile die man als junger Mensch oft noch gar nicht absehen kann. Wenn ein Mann PKV versichert ist, plötzlich eine Partnerin findet und mit der schnell eine Familie gründet, dann ist weder die Frau noch die Kinder kostenlos mitversichert - für alle muss dann gesondert ein Vertrag gemacht werden. In der GKV wären Frau und Kinder automatisch kostenlos mitversichert.
Ein weiterer Nachteil wäre der Papierkram. Man erhält für jede Untersuchung eine Rechnung vom Arzt. Wurde Blut abgenommen? Dann auch vom Labor. Eine Röntgenaufnahme musste gemacht werden? Dann auch von der Röntgenpraxis. Alle Rechnungen müssen zunächst selbst bezahlt und geprüft werden und die PKV erstattet diese nach Einreichung.
Und ein ganz wichtiger Punkt ist das Thema "
Überversorgung". Mit Privatpatienten können Ärzte und Krankenhäuser sehr gutes Geld verdienen. Da wird man auch gerne mal ganz genau untersucht - auch wenn das z.B. vielleicht zusätzliche Strahlenbelastung für den Körper bedeutet. Einen GKV-Patienten will man aufgrund der Fallpauschalen möglichst schnell wieder entlassen. Ein Privatpatient bringt mehr desto länger er bleibt und desto mehr an ihm "geschraubt und gebohrt" wird. Und neue Geräte, Methoden, Mittelchen werden auch gerne mal an Privatpatienten "getestet".
Das Anreizsystem ist jedenfalls für die Ärzteschaft ziemlich groß da möglichst viel zu untersuchen.
Zitat von: MrChicken ....
Ich kenne keine Zahlen, aber ich würde jetzt aus dem Bauch heraus schätzen, dass der Großteil der PKV eher über dem Durchnittseinkommen liegt. Dadurch können es sich sicherlich nicht alle PKV leisten das die Beiträge immer wieder steigen, aber ich vermute eben doch ein Großteil.
Es liegt ja auf der Hand, dass der Durchschnitt mehr Verdienen wird als in der GKV - denn man kommt als angestellter ja erst beim Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenze überhaupt in die PKV rein.
Aber es wird eben auch oft vergessen, dass es neben Beamten und Arbeitnehmern mit höheren Einkommen vor allem selbstständige sind die in der PKV sind. Und dazu zählen natürlich viele Mittelständler aber eben auch sehr sehr viele "Einzelkämpfer" die gerade so über die Runden kommen. Ich denke hier z.B. an die ganzen Sub-Unternehmer die in der Transportbranche tätigt sind. Oft handelt es sich um schlecht ausgebildete Leute die in der Selbstständigkeit die einzige Chance sehen überhaupt ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Solche Leute gehen dann zum Gewerbeamt und haben sich innerhalb von 10 Minuten selbstständig gemacht - mit der Möglichkeit sich nun in der PKV zu versichern.
Und jetzt passiert nämlich etwas wo der Gesetzgeber nicht ganz unschuldig ist. Wer sich z.B. als junger Mann als Kurierfahrer selbstständig macht, der zahlt in der GKV den Beitrag auf ein fiktives Mindesteinkommen welches bei etwas über 2.200,- Euro monatlich liegt. Der GKV-Beitrag muss dabei (anders als beim Arbeitnehmer wo der Arbeitgeber ja beteiligt ist) komplett vom Selbstständigen getragen werden (rund 400,- Euro monatlich). Es interessiert dabei niemanden ob der arme Mann vielleicht nur 800,- Euro im letzten Monat verdient hat. Weil er aber jung und gesund ist erhält er von der PKV ein Angebot mit besseren Leistungen als in der GKV.... und dafür muss er nur 220,- Euro monatlich zahlen. In der beschriebenen Gesamtsituation wird er doch geradezu in die PKV getrieben, oder? Dass er in 10 Jahren mit seinem PKV-Beitrag bei 500 oder 600,- Euro liegt und dieser immer weiter steigen wird... das hat natürlich niemand verraten.
Zitat von: MrChicken ....
Es stimmt absolut das die PKV die Praxen mit finanzieren. Hab ich auch schon ganz oft gehört, glaube ich bei den Preisen für bestimmte Geräte auch ungesehen. Aber die PKV Patienten erkaufen sich eben mit dem Geld auch privilegien (so darf es in meinen Augen auch durchaus sein). Die PKV haben also eben DURCH die finanziellen Mittel in meinen Augen einen ganz anderen Stellenwert bei den Ärzten.
Also ich bekomme ja immer die Rechnungen (übrigens finde ich, dass man dies auch mal in der GKV einführen sollte) und ich sehe ja genau was abgerechnet wird. Zunächst wird ALLES mindestens mit dem Faktor 2.3 multipliziert. Hier zeigt sich schon mal welchen direkten Vorteil ein Arzt beim PKV-Patienten hat. Wenn der Doktor also bei mir den Blutdruck misst bekommt er mehr als das doppelte als würde er den Blutdruck eines anderen Patienten messen. Beim GKV-Patienten ist mit der pauschale dann sowieso alles abgegolten - bei mir wird wirklich alles in Rechnung gestellt - auch die 10 Minuten "smalltalk" im Anschluss an die eigentliche Untersuchung.
Das sind alles Dinge die ich gar nicht will. Ich möchte vom Arzt so behandelt werden wie jeder andere Patient und dafür soll mir auch das selbe berechnet werden. Aber diese "Wahl" habe ich gar nicht wenn ich erst mal in der PKV bin.
Aber was passiert denn jetzt wenn die Bürgerversicherung kommen würde? Wodurch soll die Lücke geschlossen werden die die PKV hinterlassen würde? Das Geld müsste dann ja über die Bürgerversicherung fließen. Das bedeutet die Mehrkosten werden von der Allgemeinheit getragen. Ist das ein Vorteil für die Gesellschaft insgesamt?
Zitat von: MrChicken ....
Beitragsteigerungen oder eben gestiegene Zusatzbeiträge sind übrigens auch Dinge die GKV treffen. Zugegeben, nicht in den letzten Jahren, vermutlich auch nicht in dem selben Rahmen (eben durch das Prinzip der Solidargemeinschaft und den Gesundheitsfond) aber auch dort kann es Menschen treffen, die vermutlich aufgrund Ihres Einkommens fast keine andere Wahl haben als sich ausschließlich gesetzlich zu versichern.
Das stimmt so eben nicht. In der GKV ist der Beitrag vom Einkommen abhängig. Der Beitrag passt sich also der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an. Und hier sehe ich auch das Hauptproblem. Als privat versicherter (ohne 20 Mitarbeiter) habe ich ständig die (Existenz)Angst, dass ich mal nicht in der Lage sein werde meine Beiträge zu begleichen. Wenn ich Krank werde habe ich kein Einkommen mehr muss aber weiterhin meine Beiträge zahlen. Wenn ich zwei Monate nicht gezahlt habe stuft man mich in den Basis-Tarif der PKV. Ich bekomme dann genau die Leistungen die jeder gesetzlich Versicherte auch erhält - und das genau dann wenn ich die (angeblichen) Vorteile der PKV am meisten benötigen würde.
Das ganze System ist irgendwie schief! Ich würde eine Bürgerversicherung daher nicht grundsätzlich ablehnen - ich frage mich nur ob damit die Probleme tatsächlich gelöst wären. Die Möglichkeit Zusatzversicherungen abzuschließen gäbe es ja jedenfalls weiterhin (Zweiklassenmedizin bliebe also erhalten).